Sven Gregor tritt für die Freien Wähler an

„Gesundheitsversorgung im Mittelpunkt kommunalpolitischer Arbeit“

„Wachablösung“ an der Spitze des Landkreises und damit zugleich auch im Landratsamt Hildburghausen nach rund drei Jahrzehnten: Landrat Thomas Müller (CDU) wechselt aus Altersgründen in den Ruhestand, Ende April vollendet er sein 65. Lebensjahr.

Thomas Müllers Nachfolger ist am Sonntag, 26. Mai, zu wählen. Falls kein Bewerber die absolute Mehrheit erreichen sollte, fällt die Entscheidung in einer Stichwahl zwischen den beiden Erstplazierten des ersten Wahlganges am Sonntag, 9. Juni. Amtsantritt des neuen Landrates ist am 1. Juli.

Für die Freien Wähler tritt Sven Gregor (Jahrgang 1976) an, seit zwölf Jahren Bürgermeister der Stadt Eisfeld. Die CDU schickt Dirk Lindner (59) ins Rennen. Der im Tierkreiszeichen Stier Geborene ist seit mehr als fünf Jahren Erster Beigeordneter und damit stellvertretender Landrat des Landkreises Hildburghausen. Interesse am Amt des Landrates haben auch Kristin Obst (parteilos) und Tommy Frenck (BZH) bekundet. Zur Kreistagswahl wurden elf Wahlvorschläge eingereicht. Über deren Zulassung wird am Dienstag, 23. April, von 17.00 Uhr an durch den Wahlausschuss entschieden.

In unserer aktuellen Ausgabe geben wir Dirk Lindner und Sven Gregor Gelegenheit, sich zu aktuellen Fragen zu äußern.

Herr Gregor, Sie waren Bürgermeister in Bockstadt (von 2004 bis 2012) und sind seit 2012 Bürgermeister der Stadt Eisfeld. Jetzt möchten Sie Landrat des Landkreises Hildburghausen werden. Was sind Ihre politischen und persönlichen Motive? 

Sven Gregor: „Den Wählerinnen und Wählern ein ehrliches Angebot unterbreiten, das auch über eine Amtszeit hinaus wirken soll.“

Gregor: Ich bin jetzt im 20. Jahr Bürgermeister und habe in dieser Zeit viele Erfahrungen in der Kommunalpolitik sammeln dürfen. Dabei war mir die Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden immer ein wichtiges Anliegen und dafür habe ich mich auch die vergangenen 12 Jahre als Kreisvorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes tatkräftig eingesetzt. Nun steht die Wahl des Landrates auch unter dem Zeichen eines Generationswechsels an. Landrat Thomas Müller geht in den wohlverdienten Ruhestand. Ich möchte mich in dieser Situation aktiv einbringen, den Wählerinnen und Wählern ein ehrliches Angebot unterbreiten, das auch über eine Amtszeit hinaus wirken soll. Dabei ist mir die Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Kommunen eine Herzensangelegenheit und ich stehe für starke Städte und Gemeinden in unserem Landkreis. Wir alle sollten zukünftig an einem Strang ziehen. Ich stehe dafür in jedem Fall bereit.

Ist der Sprung von der einen zur anderen Aufgabe nicht gewaltig? Die Landkreisverwaltung zählt, unter Berücksichtigung ihrer Schulen, Museen etc. annährend 400 Beschäftigte. Welche Voraussetzungen bringen Sie mit, um an die Spitze eines solch großen Verwaltungsapparates rücken zu wollen? 

Gregor: In der Tat, die Kreisverwaltung ist nochmal eine andere Hausnummer, wenn ich mein jetziges Tätigkeitsfeld damit vergleiche. Aber dem Grunde nach sind es die gleichen Strukturen und dieselben Abläufe. Vor 12 Jahren war der Schritt vom ehrenamtlichen Bürgermeister von einer 250 Seelen Gemeinde zur hauptamtlichen Stelle in Eisfeld auch ein großer Schritt. Nach der Gemeindefusion im Jahr 2019 mit Sachsenbrunn wurde das Tätigkeitsfeld nochmals größer. Ich trage heute Verantwortung für 7400 Einwohner, für 76 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und einen Jahreshaushalt von 20 Millionen Euro. Ich denke, dass ich in der Vergangenheit bewiesen habe, dass ich eine Kommunalverwaltung leiten kann. Meine Tätigkeiten in den Aufsichtsräten bei der Thüringer Energie AG und der Kommunalen Energiebeteiligungsgesellschaft Thüringen haben mir in den vergangenen zehn Jahren auch Erfahrungen vermittelt, die ich für zukünftige Aufgaben gut nutzen kann. Ebenso haben mich meine berufliche Weiterbildung als Verwaltungsfachwirt und verschiedene Fortbildungen im Bereich Personalmanagement die notwendigen Fachkenntnisse erwerben lassen, die mir schon heute in verschiedenen Prozessen sehr helfen.

„Wenn man krank ist, müssen die Wege kurz sein“

Eines der größten Probleme des Landkreises Hildburghausen ist die Gesundheitsversorgung. REGIOMED, der länderübergreifende Klinikkonzern, ist in Schieflage geraten. Was ist zu tun, um die stationäre Versorgung am Standort Hildburghausen zu sichern?

Gregor: Richtig, die aktuelle Situation um REGIOMED und das laufende Insolvenzverfahren sind  große Herausforderungen. Hier gilt es den Kopf nicht in den Sand zu stecken, bedarfsgerechte Lösungen mit Mut anzugehen, aber auch mit Bedacht und Sorgfalt zu handeln, um Fehler nicht zu wiederholen. Dabei ist mir persönlich sehr wichtig, dass die Gesundheitsversorgung im Landkreis auch im Mittelpunkt der kommunalpolitischen Arbeit steht. Deshalb hat unsere Kreistagsfraktion im Herbst letzten Jahres einen Antrag eingereicht, der zur Einführung eines Gesundheitsausschusses geführt hat. Vor kurzem hat sich der neue Ausschuss nun auch konstituiert und seine Arbeit aufgenommen. Für mich hat das Thema eine sehr hohe Priorität, denn ich stehe für den Erhalt einer stationären Grund- und Regelversorgung, gute Pflege sowie den Ausbau altersgerechter Wohnmöglichkeiten. Weithin braucht es Haus- und Fachärzte vor Ort, aber auch Apotheken, um gut versorgt zu sein. Denn gerade wenn man krank ist, müssen die Wege kurz sein.

„Die Verwaltung ist Dienstleisterin am Bürger“

… und was darf mittel- und langfristig von den Freien Wählern erwartet werden, die immerhin die zweitstärkste Fraktion im Kreistag des Landkreises Hildburghausen bilden und damit auch eine besondere Verantwortung für die Menschen übernommen haben? 

Gregor: Bei dieser Wahl geht es um nichts weniger als unseren Landkreis als Lebens- und Arbeitsort, um Wohnraum, Gewerbe, Tourismus. Es geht um Radwege, Straßen und Schienen und es geht natürlich um unsere Kitas und Schulen im gesamten Landkreis. Hier soll man geboren werden, eine gute Bildung erfahren und die Möglichkeit haben, zu leben, zu arbeiten und gemeinsam glücklich alt zu werden. Wir, die Menschen hier, haben ein großes Potenzial. Die Freien Wähler und ich wollen, dass das wieder gesehen und endlich genutzt wird. Die Menschen in unserem Landkreis stehen dabei im Mittelpunkt unseres täglichen Handelns, die Verwaltung des Landkreises ist Dienstleisterin am Bürger. Sie berät, nimmt mit und zeigt Lösungen für die Menschen auf. Die Freien Wähler wollen dabei der „Möglichmacher“ sein.  Was wären wir ohne Feuerwehr, Musikorchester, Sportgruppen und all die anderen vielen Vereine, die auch hervorragende Jugendarbeit leisten. Ohne Ehrenamt würde das alles nicht funktionieren. Das Engagement so vieler Menschen in unserem Landkreis ist unbezahlbar. Und deshalb müssen wir als Landkreis das Ehrenamt fördern und unterstützen. Ebenso stehen wir für mehr Bürgerbeteiligung und haben großes Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger unseres Landkreises. Denn Fortschritt geht nur gemeinsam.

Wir lieben unsere Heimat: Die wunderbare Natur am Rennsteig, im Heldburger Unterland oder im Grabfeld, unsere Kultur und die regionalen Produkte.

Wir stehen zu dem, was unsere Region ausmacht, wir stärken unsere Landwirtschaft und werben selbstbewusst mit unserem reichen kulturellen Erbe. Dazu nutzen wir unsere Netzwerke, um den Tourismus weiter auszubauen und dafür zu sorgen, dass unsere Region bekannter wird. Die Freien Wähler stehen für starke Städte und Gemeinden – das Fundament unseres Landkreises. Denn vor Ort gestalten wir die Zukunft. Große Herausforderungen liegen vor uns, die wir nur gemeinsam meistern können. Dazu braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kommunen. Hierbei sind ein Austausch auf Augenhöhe, schnelle und vor allem transparente Entscheidungen sehr wichtig. Damit das gelingt, brauchen wir moderne Strukturen, die ein Ziel verfolgen, unseren Landkreis stark für die Zukunft zu machen.

„Für attraktive und barrierefreie Wohnungsangebote“

Welche Aufgaben kommen auf den Landkreis Hildburghausen im Alten- und Pflegebereich zu? Welche Lösungen schlagen Sie kurz-, mittel- und langfristig vor? 

Gregor: Für uns ist wichtig, dass die Senioren auch künftig ein selbstbestimmtes Leben führen können. Altersarmut und soziale Vereinsamung müssen wir gemeinsam bekämpfen. Pflege und Betreuung dürfen nicht zur Profitquelle von Investoren degradiert werden. Es ist unsere ureigene gesellschaftliche Verantwortung! Dabei ist uns besonders wichtig, dass zukünftig Möglichkeiten geschaffen werden, um attraktive und barrierefreie Wohnungsangebote zur Verfügung zu stellen. Die Senioren sollen – solange es geht – in ihren eigen vier Wänden leben dürfen. Hierzu bedarf es auch einer guten Infrastruktur für Unterstützung und Hilfsangeboten für Senioren. Dies muss vom Landkreis gemeinsam mit den Städten und Gemeinden koordiniert werden, um eine flächendeckende Anwendung zu garantieren. Hierbei setzen wir auf die Unterstützung des Kreisseniorenbeirates und haben dabei großes Vertrauen in deren ehrenamtliche Arbeit.

Im öffentlichen Raum müssen sich Menschen mit Mobilitätseinschränkungen (sowohl Senioren wie auch Menschen mit Behinderungen) sich selbstbestimmt und frei bewegen können. Dies muss auch im ländlichen Bereich möglich sein. Wo erforderlich, sollte die Gesellschaft im Ehrenamt unterstützend eingreifen (Organisation, Fahrdienste, Einkaufshilfen). Vergünstigte Seniorentickets im öffentlichen Nahverkehr sowie alternative Mobilitätsangebote wie Bürgerbus, subventioniertes Ruf-Taxi oder Mitfahrbänke sollten im Fokus unseres Handelns liegen.

Ehrenamtskultur erhalten und beleben

Viele Vereine klagen über Nachwuchsmangel, traditionsreiche müssen oftmals aufgeben. Welche Priorität räumen Sie dem Ehrenamt ein?

Gregor: Wir sehen im Ehrenamt eine wichtige Stütze unseres Gemeinwesens. Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung für das Gemeinwesen ist das ehrenamtliche Engagement vieler Bürger und Bürgerinnen in Vereinen und Initiativen. Deren unentgeltliches Wirken bei der Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Senioren, bei der Integration, der Pflege von Kultur und Brauchtum, dem Sport, dem Naturschutz und natürlich bei der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk und Rettungsdiensten festigt den Zusammenhalt der Gesellschaft und entlastet die öffentliche Haushalte in kaum zu berechnendem Maße.

Wir wollen uns, aufbauend auf unseren Erfahrungen, für den Erhalt und die Belebung der Ehrenamtskultur einsetzen. Dabei geht es im Kern um die Aufwertung und Stärkung sowie materielle und rechtliche Sicherstellung des Ehrenamtes in allen gesellschaftlichen Bereichen. Wir werden eine Anlaufstelle für ehrenamtlich Tätige zu den wichtigen Fragen im Ehrenamt einführen. Hier soll rund um rechtliche Fragen, Fördermittel und Ausstattung gut beraten und unterstützt werden, damit unsere Vereine und Verbände in guten Händen sind. Wichtig ist auch die verstärkte Einbeziehung der Jugend in die ehrenamtliche Arbeit, um eigenes Schaffen und Verantwortung für die Gemeinschaft zu erfahren. Wir werden dazu einen Jugendbeirat im Landkreis gründen, um dieser wichtigen Arbeit auch eine Struktur zugeben. Hierbei konnte ich im letzten Jahr schon viele Erfahrungen als Bürgermeister sammeln, da in Eisfeld bereits ein Jugendbeirat besteht.

Kreisentwicklung soll Chefsache sein

Stichwort Fachkräftemangel: Sehen Sie für den Landkreis Hildburghausen Ansatzpunkte für nötige Initiativen? 

Gregor: In Thüringen fehlen schätzungsweise 16.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Diese verteilen sich auf die drei Anforderungsniveaus Fachkraft, Spezialist und Experte. Die meisten qualifizierten Arbeitskräfte fehlten auf dem Anforderungsniveau Fachkraft. Am schwierigsten ist die Stellenbesetzung auf dem Anforderungsniveau Experte. Diese Situation lässt erkennen, dass eine oder einfache Lösungen hier keine nennenswerten Ergebnisse bringen. Trotzdem gibt es in der Zukunft Chancen dieser Situation zu begegnen. Die Freien Wähler und ich werden natürlich im Kreistag und der Kreisverwaltung Wege finden, um Lösungen anzubieten. Hierbei messe ich dem Kreisentwicklungsamt eine große Bedeutung zu. Kreisentwicklung wird mit mir als Landrat Chefsache sein, und wir werden mit anderen Partnern, zum Beispiel der IHK, dem Jobcenter ect. ein Konzept für Bewältigung der Zukunftsfragen auf dem Arbeitsmarkt erarbeiten und umsetzen. Dazu brauchen wir Investitionen in eine gute Schulbildung, attraktive Ausbildungsplätze und einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Darüber hinaus müssen die Digitalisierung und der flächendeckende Ausbau mit Glasfaser schnell umgesetzt werden. Wir brauchen geeignete Fortbildungsmaßnahmen, um alle Potenziale am Arbeitsmarkt zu erschließen und die Menschen auch dafür zu begeistern. Das sichert unserer Wirtschaft die Fachkräfte von morgen und sorgt dafür, dass Familien in unserem Landkreis eine Zukunft haben.

Interview: Horst Mitzel